Abstract

„Coaching“ im Kontext öffentlich geförderter Beschäftigung – Befunde aus der Evaluation der ganzheitlichen beschäftigungsbegleitenden Betreuung gemäß Teilhabechancengesetz

Dr. Jan Gellermann, Institut für Arbeitsmarkt und Berufsforschung, Regionales Forschungsnetz NRW

Das „Teilhabechancengesetz“ (§ 16e, § 16i SGB II) adressiert langzeitarbeitslose Personen, die, trotz intensiver Bemühungen der Arbeitsverwaltung, aus eigener Kraft kaum eine Chance auf eine Erwerbsintegration haben. Um diesem Personenkreis dennoch einen Übergang in die Arbeitswelt zu ermöglichen und damit nicht weiter von den über Arbeit vermittelten Teilhabechancen auszuschließen, setzt dieses Instrument auf die finanzielle Förderung von sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnissen, welche flankiert wird durch eine ganzheitliche beschäftigungsbegleitende Betreuung der ehemals Langzeitarbeitslosen – einem sogenannten „Coaching“. Insofern konstruiert das Teilhabechancengesetz einen doppelten Wirkungshebel: Zum einen ermöglicht der Lohnkostenzuschuss eine betriebliche Integration der Geförderten, in deren Rahmen Teilhabeerfahrungen gemacht werden sollen. Zum anderen geht der Gesetzgeber davon aus, dass die Zielgruppe so einschneidende Mängel bei der Beschäftigungsfähigkeit aufweist, dass große Abbruchs- und Kündigungsrisiken bestehen. Diese soll das „Coaching“ auffangen und so zur Beschäftigungsstabilisierung beitragen. Darüber hinaus soll das „Coaching“ jedoch eine weitere Funktion erfüllen, auf die das Attribut „ganzheitlich“ hinweist, nämlich die Bearbeitung von persönlichen Problemlagen der ehemals langzeitarbeitslosen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Insofern werden im „Coaching“ sowohl arbeitsweltbezogene, als auch persönliche Problemlagen Gegenstand.

Kurzum: Beim „Coaching“ gemäß Teilhabechancengesetz handelt sich um eine komplexe personenbezogene Unterstützungsdienstleistung, die aufgrund ihrer heterogenen Handlungsfelder spezifischer Kompetenzen bedarf. Diese Schlussfolgerung wird vom Gesetzgeber allerdings nicht konsequent gezogen, so regelt das Gesetz beispielsweise keine bestimmten fachlichen Qualifikationen für das Personal, das das „Coaching“ durchführt. In der Praxis führt dies dazu, dass das „Coaching“ von Personen mit sehr unterschiedlichen Fähigkeiten erbracht wird und Auftrag, Umfang sowie Gegenstand teilweise beliebig interpretiert werden. Hinzu kommen zum Teil organisationale Bedingungen, unter denen eine ganzheitliche Betreuung de facto kaum erbracht werden kann, selbst bei dem Vorhandensein einschlägiger fachlicher Qualifikationen.

Im Mittelpunkt des geplanten Vortrags stehen Befunde aus der IAB -Evaluation zur praktischen Umsetzung des „Coachings“ gemäß Teilhabechancengesetz. Dabei wird die handlungspraktische Komplexität der ganzheitlichen beschäftigungsbegleitenden Betreuung für diese Zielgruppe expliziert und es werden Empfehlungen für eine verbesserte Umsetzung formuliert.

Literatur

Bauer, Frank/Bennett, Jenny/Coban, Mustafa/Dietz, Martin/Friedrich, Martin/Fuchs, Philipp/Gellermann, Jan/Globisch, Claudia/Gottwald, Markus/Gricevic, Zbignev/Hülle, Sebastian/Kiesel, Markus/Kupka, Peter/Nivorozhkin, Anton/Promberger, Markus/Raab, Miriam/Ramos Lobato, Philipp/Schmucker, Alexandra/Stockinger, Bastian/Trappmann, Mark/Wenzig, Claudia/Wolff, Joachim/Zabel, Cordula/Zins, Stefan (2021): Evaluation der Förderinstrumente nach §16e und §16i SGB II – Zwischenbericht, IAB-Forschungsbericht 3/2021, Nürnberg.

Deutscher Bundestag (2018): Gesetzentwurf der Bundesregierung. Entwurf eines Zehnten Gesetzes zur Änderung des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch. Schaffung neuer Teilhabechancen für Langzeitarbeitslose auf dem allgemeinen und sozialen Arbeitsmarkt (Teilhabechancengesetz 10. SGB II-ÄndG), Drucksache 19/4725.

Bauer, Frank/Fuchs, Philipp/Gellermann, Jan F.C. (2022) Ganzheitliche beschäftigungsbegleitende Betreuung: vielfältiger Bedarf und hohe Anforderungen. In: Archiv für Wissenschaft und Praxis der Sozialen Arbeit. Der soziale Arbeitsmarkt - wie wirkt das Teilhabechancengesetz? Jg. 53, Nr. 4/2022.